Reichskonkordat

Reichskonkordat
I
Reichskonkordat,
 
das 1933 zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich abgeschlossene Konkordat. Das Reichskonkordat wurde vonseiten des Heiligen Stuhls mit dem Ziel abgeschlossen, die katholische Kirche und ihre Einrichtungen in Deutschland gegenüber dem Totalitätsanspruch des nationalsozialistischen Staates zu sichern. Das nationalsozialistische Regime erreichte durch das Reichskonkordat außen- wie innenpolitisch einen Prestigegewinn. Das Reichskonkordat garantierte die bestehenden Länderkonkordate und regelte darüber hinaus reichsrechtlich die zentralen Fragen zwischen Staat und Kirche (Rechtsstellung des Klerus, Besetzung kirchlicher Ämter, besonders der Bischofsstühle, Fortbestand der katholischen Fakultäten, Militärseelsorge, Schulen, Vereine, Religionsunterricht). Kirchlicherseits wurde allein die von Hitler unabdingbar geforderte »Entpolitisierung« des Klerus zugestanden. Seitens der nationalsozialistischen Machthaber setzten jedoch schon bald und stetig zunehmend Vertragsbrüche ein, gegen die Pius XI. 1937 mit der Enzyklika Mit brennender Sorge protestierte.
 
Nach 1945 entbrannte eine Auseinandersetzung um die Fortdauer der Gültigkeit des Reichskonkordats, wobei es u. a. um die für die Kirche insgesamt günstigen Schulartikel ging. 1957 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das gültig zustande gekommene Vertragswerk weiterhin Bestand habe. Die Bundesländer sind jedoch aufgrund ihrer Kulturhoheit in Schulfragen nicht durch das Reichskonkordat gebunden. Neu entfacht wurde Mitte der 1970er-Jahre eine wissenschaftliche Kontroverse über die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen dem von Hitler in Aussicht gestellten Reichskonkordat und der Zustimmung des katholischen Zentrums zum Ermächtigungsgesetz bestanden habe.
 
 
J. S. Conway: Die natsoz. Kirchenpolitik 1933-1945 (a. d. Engl., 1969);
 L. Volk: Das R. vom 20. Juli 1933 (1972);
 J. Bohn: Das Verhältnis zw. kath. Kirche u. faschist. Staat in Italien u. die Rezeption in dt. Zentrumskreisen 1922-1933 (1992).
II
Reichskonkordat
 
Ihren ersten außenpolitischen Erfolg errang die Reichsregierung mit dem Abschluss des Reichskonkordates, das am 20. Juli 1933 in Rom unterzeichnet wurde. Die Verhandlungen hatten auf deutscher Seite Vizekanzler von Papen und Prälat Kaas, der letzte Vorsitzende der Zentrumspartei, geführt, auf der Seite des Vatikans Kardinalstaatssekretär Pacelli - der spätere Papst Pius XII. Das Konkordat enthielt u. a. Bestimmungen über die öffentliche Ausübung des katholischen Bekenntnisses in Deutschland, über den Schutz katholischer nichtpolitischer Organisationen, über die Aufrechterhaltung der katholischen theologischen Fakultäten an den Hochschulen des Landes, über den Schutz des kirchlichen Eigentums, über die Beibehaltung und Neuerrichtung katholischer Bekenntnisschulen und die Erteilung des katholischen Religionsunterrichts an den Schulen. Für den nationalsozialistischen Staat war der Entpolitisierungsartikel des Konkordats, der die katholischen Geistlichen von jeder parteipolitischen Betätigung ausschloss, von großer Bedeutung.
 
Vor der Weltöffentlichkeit sollte der Konkordatsabschluss die Konzessionsbereitschaft Hitlers aufzeigen und den Verdacht der Kirchenfeindlichkeit des nationalsozialistischen Staates widerlegen. Als erstes völkerrechtliches Dokument bedeutete der Abschluss des Reichskonkordates für Hitler einen beträchtlichen und hochwillkommenen Prestigegewinn. Der Vatikan rechtfertigte seinen Schritt mit der offensichtlich klaren Einstellung des neuen Deutschland gegenüber dem Bolschewismus und der Gottlosenbewegung. Als sich später die Verletzungen des Konkordates in dem sich herausbildenden Kirchenkampf häuften, brandmarkte Papst Pius XI. die Übergriffe und das Vorgehen der Nationalsozialisten 1937 mit seiner Enzyklika »In brennender Sorge«. - 1957 hat das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil die fortdauernde Gültigkeit des Reichskonkordats für die Bundesrepublik Deutschland festgestellt.

Universal-Lexikon. 2012.

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